Gott, ein guter Despot?

Ein Despot, das ist ein allmächtiger Willkürherrscher der sich quasireligiös verehren lässt. Einige Menschen, die an den Gott der Bibel glauben, haben solche Vorstellungen von ihrem Gott. Dass Gott willkürlich Lasten und Strafen auferlegt, ebenso willkürlich und »gnädig« sie wieder nimmt mit dem Ziel, dafür verehrt zu werden. Oder dass Gott Geschenke macht, sie dann wieder nimmt und sagt: Hey, lerne dass ICH viel wichtiger bin als meine Geschenke.

Gleichzeitig versuchen diese Menschen zu glauben dass Gott gut ist. Dass er aus Liebe handelt auch wenn es despotisch aussieht. Ihr ahnt dass echtes Vertrauen zu Gott hier nie aufkommen kann, immer nur ein erzwungenes Pseudo-Vertrauen bleibt? Richtig geahnt. Folks, ich spreche aus Erfahrung.

Und wie ist Gott wirklich? Dieser Artikel behandelt nur ein kleines Detail davon. Die Beobachtung, dass manche Übersetzungen der (ursprünglich griechischen) Texte der Bibel den Eindruck vom despotischen Gott vermitteln, manche nicht.

Es ist schon ein paar Wochen her, da las ich einen Satz aus der Bibel der oft für dieses Paradoxon vom guten Despoten herhalten muss (wen’s interessiert: Johannesevangelium Kapitel 15 Vers 2). Ich kenne Menschen, die diesen Vers auf Situationen schwerer Krankheit anwenden und dabei ehrlich denken oder denken wollen: Gott tut mir Gutes, indem er mir diese schwere Zeit geschickt hat.

Ich selbst finde es unmöglich, mit solch einer Vorstellung Gott zu vertrauen: wenn Gott selbst und aktiv all das Schlimme in unserem Leben als Gutes schickt. So hat mich dieser Satz wieder zum Nachdenken gebracht: ist Gott wirklich so?
Das erste was ich dazu las war dann ein anderer Text aus der Bibel, in der Übersetzung »Elberfelder 1905«:

»6 Denn der Gott, der aus Finsternis Licht leuchten hieß, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi.
7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, auf daß die Überschwenglichkeit der Kraft sei Gottes und nicht aus uns.
8 Allenthalben bedrängt, aber nicht eingeengt; keinen Ausweg sehend, aber nicht ohne Ausweg;
9 verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht umkommend;
10 allezeit das Sterben Jesu am Leibe umhertragend, auf daß auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.
11 Denn wir, die wir leben, werden allezeit dem Tode überliefert um Jesu willen, auf daß auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleische offenbar werde.
« (Zweiter Brief von Paulus an die Korinther, Kapitel 4, Verse 6 bis 11, nach der Bibelübersetzung »Elberfelder 1905«)

Das ist jetzt leider eine 100 Jahre alte Übersetzung eines fast 2000 Jahre alten
Textes und deshalb schwierig zu verstehen. Aber egal ob der Eindruck vom despotischen Gott ein Missverständnis dieses Textes ist oder nicht, wer diesen Text in der Übersetzung »Elberfelder 1905« liest (und viele verwenden die heute noch), wird wohl folgenden Eindruck bekommen:

»(Vers 6:) Als Menschen die wir Gott kennen (Vers 7:) sind wir trotzdem schwach und gebrechlich mit dem Ziel dass deutlich wird: nicht wir haben Kraft sondern Gottes Kraft wirkt in unserem Leben. Das ist Gottes Ziel, er hat es also extra so eingerichtet dass wir schwach und gebrechlich sind. (Verse 8-11:) Das wirkt sich dann so aus, dass Gott uns in viele Situationen bringt in denen wir nicht mehr aus noch ein wissen, dem Tode und der Verzweiflung nahe sind. Dann hilft uns Gott mit seiner Kraft um zu zeigen dass ER der Allmächtige ist und wir ein Niemand.«

Ich fand es schockierend, sollte das die Wahrheit sein. Mir ging erst ein Licht auf, als ich den Text mal in einer ganz anderen Bibelübersetzung gelesen habe, der »Bible in Worldwide English«. Da klingt es so:

 

»6 God said, ‘Let light shine in the darkness.’ And he has let light shine in our hearts too. He gave us light that shows how bright and wonderful God is. We see this light when we look at the face of Christ.
7 This is something of great value within us, but we are like pots made of earth and clay. This power is greater than any other power. But it comes from God, not from us.
8 We have much trouble, but we do not give up. We are in hard places, but help always comes.
9 People trouble us, but God is always with us. We are beaten, but we are not killed.
10 We always feel as if our body is dying, just as Jesus died. Then the life of Jesus also can be seen in our body.
11 While we live we are always ready to die for Jesus. And so the life of Jesus is also seen in our bodies which will die.« (Zweiter Brief von Paulus an die Korinther, Kapitel 4, Verse 6 bis 11, nach der Bibelübersetzung »Bible in Worldwide English«)

Das klingt doch anders: Leid ist, was Menschen einander zufügen. Schwachheit ist der Normalzustand von Menschen. Gott ist gegen beides und hilft deshalb.

Damit habe ich nun noch nicht gesagt welches Verständnis nun richtig. Nur aufgezeigt, wie sich die Vorstellungen von Gott zwischen Bibelübersetzungen unterscheiden. Gott ist nicht der Elberfelder Gott oder der Gott in Worldwide English. Niemand von uns sollte sich von einer einzigen Bibelübersetzung von einer Beziehung zu Gott abschrecken lassen oder sich zu einer verkrampften Beziehung zu Gott zwingen lassen.

Um Gott kennen zu lernen wie er wirklich ist müssen wir ihn schon selbst kennenlernen!


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