Ist Gott selbstherrlich?

Die Bibel enthält Briefe aus dem ersten Jahrhundert. Einen davon hat ein Paulus an Christen in  Ephesus (in der heutigen Türkei) geschrieben. In Griechisch. Mir ist an einem Beispiel aufgefallen, dass sich die Übersetzungen deutlich unterscheiden; zumindest im intuiten Verständnis des darin vermittelten Gottesbildes.

Ich vergleiche hier Epheser Kapitel 1 Verse 3-6 in zwei Übersetzungen. In einer Übersetzung scheint mir Gott selbstherrlich, in der anderen mein freundlicher Vater.

Der Text in der Bibelübersetzung »Elberfelder 1905«

»Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo, wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und tadellos seien vor ihm in Liebe; und uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, worin er uns begnadigt hat in dem Geliebten,« (»Der Brief an die Epheser«, Kapitel 1 Verse 3 bis 6, nach der »Elberfelder Übersetzung 1905«)

Mein »natürliches« Verständnis dieses deutschen Textes ist in etwa so (OK, ich übertreibe etwas damit man mich nicht missversteht):

»Wir haben von Gott allerhand abstrakte Dinge bekommen, die man »geistlichen Segen« nennt. Dafür will Gott gepriesen sein, also müssen wir das auch tun. Manche Menschen (aus irgendeinem Grund gehören wir dazu) hat Gott vorherbestimmt dass sie sich vor ihm gut verhalten müssen; die anderen Menschen sind zur Hölle vorherbestimmt. Wir nun sind Söhne Gottes geworden: Gott wollte nämlich Söhne haben; aus nicht ganz selbstlosen Motiven, aber Gott kann eben ganz willkürlich tun was er will weil er Gott ist. Er will  nun nämlich deshalb »Söhne« haben, damit es Wesen gibt die seine Gnade loben. Gnade bedeutet dabei einfach: Gott hat Menschen nicht verdammt, einzig aus dem selbstherrlichen Grund, von ihnen gelobt sein zu wollen.«

Kein gutes Gottesbild, das mir mein Verständnis bietet! Meine Versuche, Gott trotz dieser Vorstellung von ihm zu vertrauen führten zu einem »erzwungenen« (Pseudo-)Vertrauen.

Der Text in der Bibelübersetzung »Bible in Worldwide English«

»Praise God, the Father of our Lord Jesus Christ! He has blessed us in Christ with every blessing which is in heaven, such as the Spirit gives us. Before the world was made, God chose us in Christ. He chose us that we should be holy and good before him. Because he loved us, he planned that we should be his own children. It is through Jesus Christ that we are God’s children. That is the way God wanted it to be. Praise him! His kindness is great and wonderful. We have been accepted by God through Jesus Christ, whom he loves so much.« (»Der Brief an die Epheser«, Kapitel 1 Verse 3 bis 6, nach der Übersetzung »Bible in Worldwide English«)

Hier ist mein natürliches Verständnis ganz anders, geradezu positiv. In ein paar Worten ist es so: mein Gott ist großartig, ist mein Dad der mich armen Wicht adoptiert hat, ist total freundlich und voll echter, selbstloser Liebe zu mir; Gott loben ist dann einfach die natürlichste Reaktion auf eine großartige Person.

Personal Note

Ich finde es schon etwas beängstigend, welche Unterschiedlichen Assoziationen durch zwei Übersetzungen desselben Inhalts geweckt werden. Was von den Übersetzern beabsichtigt ist und was Missverständnisse durch veraltetes Deutsch sind, kann und will ich hier nicht beurteilen. Mein Resultat ist hier nur, dass die Wahl der Bibelübersetzung eben doch wichtig ist!

Persönlich bin ich davon überzeugt, dass das Gottesbild nach meinem Verständnis der BWE das korrektere ist. Dieses (zuletzt genannte!) Gottesbild wünsche ich mir und jedem. Ein echtes, krampfloses Vertrauen auf einen guten, großartigen, freundlichen, liebenden Dad.

Probleme damit, Gott zu vertrauen, können einfach aus falschen Vorstellungen von Gott kommen. Wie die, die sich mir nach Lesen des Textes in der Elberfelder Übersetzung aufdrängten. Solche Probleme sind völlig gegenstandslos! C’m on, let’s get to know God!

Noch was: Wenn Du Gott kennenlernen möchtest und ihn darum bittest – dann hör’ nicht auf mit Bibellesen wenn Du meinst, Du würdest nichts mehr verstehen, sondern erst wenn Gott Dir wieder etwas von sich gezeigt hat. Das Vertrauen lohnt sich – meine Erfahrung für heute 🙂 Hatte die, ehrlich gesagt, auch wieder nötig.


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